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20.04.2024

Handbuch Akzeleration

Heinbokel, Annette (2009). Handbuch Akzeleration, LIT Verlag, Münster
(www.lit-verlag.de)

Anfragen von Eltern und Lehrkräften zeigen, dass bei allen Fragen, die Akzeleration betreffen, immer noch viel Unkenntnis und Unsicherheit besteht. Deshalb wurde das "Handbuch Akzeleration" geschrieben. Die Informationen über Untersuchungen und Erfahrungsberichte von Eltern, die Entscheidungshilfen im Anhang sollen helfen, sachlich begründete Entscheidungen zu treffen.

Personen ohne Erfahrungen und Sachwissen scheinen häufig der Meinung zu sein,

- eine Entscheidung gegen Akzeleration sei in der Regel GUT (das Kind wird nicht unter Leistungsdruck gesetzt, eine lange Kindheit ist per se toll und sollte nicht verkürzt werden, es kann bei seinen Freundinnen und Freunden, zumindest bei Gleichaltrigen bleiben. Auch letzteres wird einfach so für gut gehalten.)

- eine Entscheidung für Akzeleration sei in der Regel SCHLECHT (das Kind wird unter Leistungsdruck gesetzt, ein Jahr Kindheit wird gestohlen, es wird von Freundinnen und Freunden ‚weggerissen’)

Akzeleration ist eine Option, kein Muss. Und jede Entscheidung für oder gegen etwas ist eine Entscheidung, ob sie richtig war, stellt sich immer erst hinterher raus. Eltern berichteten wiederholt, dass sie sich gegen die frühe Einschulung bzw. das Überspringen entschieden hatten, um später festzustellen, dass eine Entscheidung dafür richtiger gewesen wäre. Allerdings kann sich natürlich auch die Entscheidung für eine frühe Einschulung später als falsch herausstellen. Worüber sich viele nicht klar sind: auch die Wahl einer bestimmten Schule, einer bestimmten Schulform, die Wahl der ersten oder zweiten Fremdsprache, ein Studium, der Studienort, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners ...... kann sich als falsch herausstellen. Bei Akzeleration scheinen viele eine Art Garantie haben zu wollen, das die Entscheidung dafür nie bedauert werden wird. So eine Garantie gibt es nicht, für keinen Lebensbereich. Es kann nur möglichst viel Wissen herangezogen werden, um eine wohl abgewogene, kluge Entscheidung zu treffen.


Während die Zahlen zur frühen Einschulung und zum Überspringen seit Beginn der 90er Jahre stiegen, gehen sie seit kurzem wieder zurück. Das hängt vermutlich mit der Umstellung auf das Abitur nach acht Jahren zusammen. Es besteht Unsicherheit, wie damit umgegangen werden soll, wenn Jugendliche schon mit 17 das Abitur in der Tasche haben. Ob die Sorge berechtigt ist, wird sich zeigen. In den USA, wo die Jugendlichen früher als in Deutschland auf ein College bzw. eine Universität gehen, ist dieser Punkt eher selten ein Thema. Gebraucht werden Beispiele für gelungene Lösungen. In England gibt es nach der Schule ein so genanntes "gap year", ein Lückenjahr. Ein Jahr ins Ausland zugehen könnte nach der Schule stattfinden, allerdings ist dann kein regulärer Schulbesuch möglich, die jungen Leute müssten etwas anderes machen als bisher.

Die frühe Einschulung und das Überspringen einer Klasse in der Grundschule sind die zahlenmäßig häufigsten Formen von Akzeleration. Über eines müssen sich die Erwachsenen klar sein: Wenn Enrichment in der Grundschule kaum angeboten wird oder nicht ausreicht, dann ist es sicher keine befriedigende Lösung, dass sich 7jährige jahrelang langweilen, weil es vielleicht mit 17 Probleme geben könnte. Ebenso ist es nicht ausreichend, jahrelang auf das Juniorstudium zu vertrösten. Wenn sie als Kinder gelernt haben, Herausforderungen anzunehmen und zu bewältigen, wenn sie das Lernen gelernt haben, werden sie als Jugendliche eher auch das Juniorstudium annehmen, als wenn sie zehn Jahre lang in erster Linie ihre Geduld, ihr Verständnis und das Ertragen von Langeweile trainieren mussten.





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